Sieben Tipps zur Erstellung von Lastenheften

Wenn es um die Erstellung von Lastenheften geht, kann man gewisse Fehler vermeiden – wenn man sich von Beginn an bewusst macht, welche diese sind und wie und warum sie entstehen.

In dieser und der folgenden Ausgabe des Blogs möchte ich Euch sieben entscheidende Tipps geben, die die Erstellung von Lastenheften vereinfachen und Fehlerquellen minimieren.

Tipp 1: Realistische und strikte Zeitplanung und -einhaltung!

Ihr müsst Eure (und meine) Zeit sinnvoll einplanen – und dranbleiben. Bei meinen Erstgesprächen für die Erstellung eines Lastenheftes mit den Entwicklungsleitern kommt sehr schnell die Frage: „Wie viel Zeit werden wir brauchen?“

Zunächst sind der Footprint-Workshop und der Aufbau der Release-Strategie ganz wichtig – auf diesen beiden Grundlagen basiert schließlich der gesamte Rest. Zeitlich sind sie allerdings nicht so wahnsinnig aufwändig: Diese beiden Punkte sind relativ einfach in ein bis zwei Tagen abzuarbeiten.

Dann geht es um das Erarbeiten der Inhalte (also der Teile 0.3, 0.5, 0.7, 0.8, 0.9, 1.0) – und hier müssen wir zwischen dem Aufwand und der Dauer unterscheiden. Der Aufwand auf Seiten des Projektes entsteht, weil noch fehlende Teile beschrieben werden und viele Inhalte zum Review müssen.

Der Aufwand auf meiner Seite ist ein etwas anderer: Ich kümmere mich mit meinem Erfahrungsschatz und meinem Wissen – quasi mit der Hand auf dem Ganzen – um die Erstellung und das „Hübsch-Machen“. Beim B.-Braun-Projekt beispielsweise belief sich mein Aufwand auf 18 Tage.

Man könnte meinen, dies klinge relativ locker – doch Vorsicht: Aufwand ist nicht Dauer! Denn gleichzeitig bedeutet diese Vorgehensweise auch: Wenn irgendjemand im Projekt etwas sucht oder erarbeitet, ist das eine Phase, in der ich zunächst auf weiteren Input warte. Entscheidend für die Organisation ist hierbei, dass ich je nach Projektphase ca. zwei Tage pro Woche für solche 18-Tage-Projekte einplane.

Somit bedeutet dieser Aufwand also eine Dauer von vier Monaten – und das ist nicht unüblich. Bei der Berechnung kommt es auch auf die Größe und die Komplexität des Systems an: Bei überschaubaren Subkomponenten und einem übersichtlichen Entwicklungsteam war das schnellste Lastenheft in ca. drei Wochen erstellt, das aufwändigste dauerte hingegen acht Monate: Hier handelte es sich um ein hochkomplexes, hochintegratives System von Systemen.

Mein Fazit: Unterschätzt die Dauer nicht, auch wenn der Aufwand nicht allzu hoch sein mag.

Plant also die Zeit ein – und vor allem: Bleibt dran! Das ist ein ganz großer Punkt. Immer wieder erstelle ich für Projekte Lastenhefte und merke, dass die Aktivitäten peu à peu weniger werden oder gar im Sande verlaufen.

Hierbei ist der Projektleiter ganz entscheidend, denn ich kann die Motivation des Teams nicht steuern, das kann nur er: Wenn der Projektleiter sich dahinterklemmt, dranbleibt und das Ganze wirklich planmäßig abschließen WILL, dann schaffen wir es auch.

Tipp 2: Weniger ist mehr!

Ich bekomme bei den Vorbereitungen immer wieder zu hören, dass man am liebsten alles und jeden noch in das Lastenheft hineinschreiben möchte. Meine Antwort: „Nein.“

Der große Trick, die große Kunst ist, zu streichen. So lange zu kürzen, bis wir merken: Wenn wir diesen Teil jetzt löschen – diesen Satz, dieses Kapitel, dieses Unterkapitel –, verändern wir den Inhalt entscheidend. Für uns Ingenieure ist es ganz normal, zu viel zu dokumentieren, zu viel hineinzuschreiben – allerdings führt das nicht zu einem Mehrwert im Verständnis, ganz im Gegenteil: Meist führt es nur zu Unklarheiten.

Hier helfen mir die Inhalte der Phasen 1.5 bis 1.8, also die Peer-Reviews, die ich parallel mache und in denen ich ebenso die Frage stelle: „Muss das da rein? Kann man das nicht komprimieren, fokussieren, rausschmeißen?“.

Dieses „weniger ist mehr“ ist ganz wichtig, wenn schließlich Punkt 1.0 in der Welt ist und darauf basierend vielleicht andere, neue Kollegen mit der Umsetzung konfrontiert werden.

Tipp 3: Kein Pseudo-Code!

Pseudo-Code kommt primär im Embedded-Software-Umfeld vor – und gehört dort auch hin. Ich hingegen schreibe keinen Pseudo-Code, denn dies ist eine Lösungsbeschreibung, auf der basierend vor allem Softwareentwickler Quellcodes umsetzen sollen.

Ich mache aber in einem Lastenheft für ein komplexes technisches System auf der obersten Ebene keine Lösungsbeschreibung, die irgendwo ganz unten und viel später eine Embedded-Software im Design umzusetzen hat.

Wenn ich ein Verhalten beschreiben muss, kann ich das wunderbar mit anderen Mitteln machen, aber eben nicht mit Pseudo-Code. Das Gleiche gilt als Bild übrigens auch für die Elektronik und für die Konstruktion.

Tipp 4: Keine Referenzen auf Personen!

Auch das habe ich immer wieder erlebt: „Kann man nicht noch einmal auf den Kollegen, der den Input gegeben hat, referieren?“

Nein, kann man nicht!Das macht in einem Lastenheft keinen Sinn, und zwar aus zwei Gründen: Zum einen wird dieser Kollege in einem Jahr wahrscheinlich nicht mehr an der Position oder nicht mehr für die Aufgabe zuständig sein. So ist das Projektgeschäft, Projekte wechseln, Kollegen wechseln.

Zum anderen kann daraus der Fehler entstehen, diese Person indirekt oder sogar direkt als Anforderung zu beschreiben: „Das ist die Person, mit der alles geklärt werden muss.“

Also: Keine Referenzen auf Personen im System-Lastenheft. Das ist ganz, ganz wichtig.

Tipp 5: Kein Excel!

Bitte, bitte, bitte kein Excel. Wenn kein Requirements-Management-Werkzeug vorliegt oder ein Austausch mit dem Kunden nicht anders funktioniert, verwendet Word – aber kein Excel.

Erstens kann Excel keine Bilder einbinden: Wenn ich eine Visualisierung im Lastenheft haben will und Excel nutze, schwebt diese gedanklich quasi über den Tabellen. Das heißt vor allem, dass es keine Zuordnung gibt. Wenn dann – wie schon oft erlebt – Inhalte und Referenzen verrutschen, Zeilen gelöscht oder verschoben werden, steht das Bild plötzlich ganz woanders bzw. vielleicht noch auf der gleichen Position, aber mit ganz anderem Kontext.

Bei Word funktioniert das besser, Word kann mit Bildern umgehen.

Zweitens verführt Excel einen dazu, in dieser Tabellensicht eines Requirements-Management-Werkzeuges zu arbeiten. Das ist zwar super, wenn man Profi ist – aber in der Regel sind die Leute, die so ein Artefakt, so ein Lastenheft schreiben, nicht unbedingt Spezialisten für Requirements-Management-Werkzeug-Anwendungen. Das bedeutet, sie haben enorme Schwierigkeiten, in so einer Excel-Tabelle flüssig zu schreiben. Dabei ist genau das viel wichtiger. Ich kümmere mich um den Rest und mache mit meiner Erfahrung alles entsprechend „sauber“.

Mir ist es egal, ob Deutsch oder Englisch, und mir ist auch egal, wie es formuliert ist, Requirements-Grammatik muss hier nicht eingehalten werden, nichts muss eingehalten werden – Hauptsache, die Inhalte werden flüssig heruntergeschrieben, wie sie den Kollegen in den Kopf kommen, und liegen am Stück vor.

Fangen die Leute aber an, in Excel von einem Tab zum nächsten und von einer Zeile zu anderen zu springen, kann genau dieses „Herunterschreiben“ nicht funktionieren.

Also bitte, bitte kein Excel.

Tipp 6: Keine Lösungen beschreiben!

Mit diesem Punkt verhält es sich so ähnlich wie mit dem bereits beschriebenen Pseudo-Code – und auch dieser Punkt ist extrem wichtig: Wir beschreiben im Lastenheft keine Lösungen.

Was wir schon beschreiben können, ist, welche Dinge übernommen werden müssen, aus welchem Grund auch immer. Das ist kein Problem, aber wie eine zukünftige Lösung, die noch zu entwickeln ist, auszusehen hat, gehört hier nicht hin.

Was ich hineinschreibe, ist der Wunsch, die Vorstellung von dem, was ich hinterher brauche – nicht aber, wie es umzusetzen ist. Denn Lösungsbeschreibungen kommen erst auf der Systemebene, nicht auf der Ebene des Lastenheftes.

Tipp 7: Lastenhefte sind keine Pflichtenhefte!

Vermischt Lastenhefte nicht mit Pflichtenheften. Ein Lastenheft ist ein „Wünsch dir was“ – und bleibt ein „Wünsch dir was“.

Ich habe mittlerweile mit mehreren Kunden aus den verschiedensten Branchen genau diese Diskussion geführt. Die Vermischung kommt häufig daher, dass Firmen bzw. Projekte kein Requirements-Management-Werkzeug nutzen. Das bedeutet, wenn sie Lastenheft und Pflichtenheft als einzelne Dokumente sehen, als einzelne Artefakte, müssten sie im Grunde hingehen und Teile des Lastenhefts kopieren, entsprechend ergänzen, verändern, anpassen, löschen und so weiter. Sie müssten inhaltlich quasi Sinnvolles übernehmen bzw. andere Antworten schreiben.

Das führt dazu, dass viele darin doppelte Arbeit sehen bzw. das ganze Organisieren und Verwalten eben nicht entsprechend funktioniert. Wir können aber, solange kein Requirements-Management-Werkzeug da ist, keine Traceability – so nennt sich das fachlich – herstellen. Das heißt, ich kann nicht aus einem Lastenheft eine Anforderung in ein Pflichtenheft ableiten.

Um das zu umgehen, neigen viele Firmen dazu, Lasten- und Pflichtenheft in ein Dokument zu schreiben. Ob diese Teile in zwei verschiedenen Farben dargestellt werden oder das eine Heft quasi mithilfe der Struktur des Dokuments dargestellt wird: Ganz ehrlich – das ist Bullshit.

Lasst das bleiben! Und wenn Ihr doch diesen Weg gehen wollt: Ich gehe da nicht mit. Es führt – auch aus Erfahrungen aus dem Trouble-Shooting – definitiv ins absolute Chaos.